Duft

L’Artisan Parfumeur: Traversée du Bosphore

Ich stehe ein bisschen auf Kriegsfuß mit der Überfahrt über den Bosporus. Nicht mit der tatsächlichen Überquerung der Meerenge zwischen Europa und Asien, sondern mit dem Duft Traversée du Bosphore von L’Artisan Parfumeur. Vielleicht hat es deswegen so lange gedauert, bis ich meine Parfüm-Reihe endlich fortsetze.

Der Name des Eau de Parfum weckt Erinnerungen. Im letzten Jahr bin ich einen Monat lang fast täglich über den Bosporus gefahren. Für mich ist das eine der schönsten Tätigkeiten, die man in Istanbul (oder überhaupt) tun kann.

Bei schönem Wetter stand ich an der Rückseite der Fähre und habe den wild herumfliegenden Möwen zugesehen. Als es kalt und regnerisch war, habe ich mich mit einem Tee oder einer Tasse Sahlep in den Innenräumen des Schiffes aufgewärmt. Durch die Fenster kann man die verschiedenen Stadtteile von Istanbul wunderbar vorbeiziehen sehen.

Nun hätte ich zu gern einen Duft gehabt, der all diese Eindrücke in einem kleinen Fläschchen festhält. Traversée du Bosphore wurde im November 2010 vom französischen Parfümhaus L’Artisan Parfumeur lanciert. Hier habe ich schon etwas zur Geschichte des Hauses geschrieben.

Den Duft hat Bertrand Duchaufour komponiert. Man kann ihn als einen der Hauptparfümeure von L’Artisan Parfumeur bezeichnen, von ihm stammen auch die Parfüms Dzongkha, Timbuktu oder Fleur de Liane.

Schon frisch aufgesprüht hat mich Traversée du Bosphore verwirrt. Zuerst kommt mir süßer Apfel entgegen, dann Leder, etwas Rose, eine fruchtige Pflaume gepaart mit etwas Zitrone. Kontrastiert wird dieser Jahrmarkt mit einer balsamischen und holzigen Zedernote.

Nach einer Weile löst sich diese Dissonanz auf und der Duft beruhigt sich. Nun würde ich Traversée du Bosphore als Gourmand-Duft beschreiben. Eine orientalische Bäckerei zieht vor meinen Augen auf, es riecht sanft würzig und vanillig. Der Duft wird pudrig, leicht süßlich, vermischt mit einem Hauch Rose und Iris.

In vielen Beschreibungen wird Lokum als Duftnote genannt, ein Bild, dass auch zu meiner Wahrnehmung passt. Für meine Nase ist es jedoch ein eher zurückhaltend mit Rosenwasser parfümiertes Lokum. Im Fond schnuppere ich Anklänge von Moschusnoten, trotzdem wirkt der Duft nicht schwer.

Nach dieser Duftreise bin ich etwas ratlos. Mein Bild von Istanbul ist moderner: Ich denke nicht nur an Apfeltee (das ist doch ein Getränk, das sowieso nur Touristen trinken), Lokum, Baklava oder den Spice Bazaar. Bildet Traversée du Bosphore nicht eher eine westliche Vorstellung des Orients ab?

Schon in der Kunst habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu den Orientalisten. Einerseits fasziniert mich die Neugierde, mit der Maler des 19. Jahrhunderts den Orient entdeckt haben. Andererseits stoßen mich der imperalistische Duktus und die Schwüle der Atmosphäre auf den Bildern häufig ab.

Spannend finde ich Traversée du Bosphore dennoch. Gerade der Anfang bringt Duftnoten zusammen, die ich ungewöhnlich finde. Dem zuckrigen Liebesapfel eine balsamische Ledernote entgegenzusetzen, das finde ich stark. Traversée du Bosphore ist kein Mainstream-Duft, der jeden anspricht. Ich musste länger mit ihm ringen.

Die Haltbarkeit ist sehr gut, über viele Stunden ist Traversée du Bosphore deutlich wahrnehmbar. Übrigens wird der Duft als Unisex bezeichnet.

Für das Protokoll folgen hier noch die von Aus Liebe zum Duft angegebenen Duftnoten:

  • Kopf: Apfel, Ingwer, Granatapfel, Safran
  • Herznote: Iris, Tulpe, Leder, Türkischer Honig
  • Basisnote: Moschus, Benzoeharz, Atlas-Zedernholz

Die detaillierten Inhaltsstoffe habe ich leider nirgends gefunden, sie befinden sich auf der Umverpackung des Flakons (ist keine Naturkosmetik!).

Eine Flasche mit 50 ml Eau de Parfum von Traversée du Bosphore kostet ungefähr 80 EUR. Erhältlich sind Düfte von L’Artisan Parfumeur bei ausgewählten, gut sortierten Parfümerien mit Nischendüften (nicht Douglas). Auch online kann man die Traversée du Bosphore erwerben. Ich habe meine Abfüllung bei Aus Liebe zum Duft gekauft.

Der erste Duft meiner Testreihe war „Côte d’Amour“ von L’Artisan Parfumeur, der zweite „Hyperessence Matale No. 12″ von der Parfumerie Générale,  der dritte „Jasmin“ von Maître Parfumeur et Gantier und der vierte „Sexy Angelic“ von Honoré des Prés. Es folgte “Week-end à Deauville” von den Parfums de Nicolaï.

Mein Fazit: Mit Noten von Apfeltee, Lokum und pudriger (gebändigter) Süße wird mit Traversée du Bosphore eine phantastische Idee von Istanbul herauf beschworen, die leider nicht ganz zu meinen Vorstellungen passt. Trotzdem finde ich den Duft interessant und besonders den Anfang durchaus experimentell.

Kennt ihr den Duft? Wie stellt ihr euch eine Überfahrt über den Bosporus als Duft vor? Wart ihr schon mal in Istanbul?

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8 Kommentare

  1. Sehr schön, auf diese Rezension habe ich gewartet – vielen Dank dafür.

    Einige Leute hatten ja bereits gemeint, dass sich TdB bei ihnen mit einer Play-Doh/Plastiknote auf der Haut entwickelt, aber ich muss es wohl doch mal bestellen und selbst testen. Tabak und (Granat-)Apfel klingt einfach zu spannend und ich bin nun mal ein Probieräffchen.

    Vom Bosporus habe ich gar keine Vorstellung, aber denke ich an die Türkei und lasse meinen Assoziationen freien Lauf, kommt mir als erstes der Geruch von Mokka und Baklava mit Pistazien in den Sinn. Zwar nicht olfaktorisch, aber danach denke ich an türkische Hochzeiten, weil’s dort meinen Erfahrungen nach temperamentvoller zugeht als beim wildesten Punkkonzert ;-).

    • Das freut mich, dass du darauf gewartet hast 🙂 !
      Die Plastiknote kann ich nachvollziehen, vor allem Anfang, der für mich insgesamt etwas zu Künstlichkeit neigt. Wenn du TdB getestet hast, würde ich natürlich deine Meinung auch interessieren!

  2. Schneizel sagt am 10. Januar 2012

    Ich habe doch seinerzeit tatsächlich Apfeltee auf dem Schiff bei der Bosporusfahrt getrunken und er hat mir geschmeckt. Peinlich! Peinlich! Peinlich! Für mich riecht die Überfahrt eher nach Schiffsdiesel… Und nach Istanbul hab ich dann auch eines meiner Parfums ausrangiert, denn anscheinend riecht ein beliebtes türkisches Putz- und Teppichwaschmittel so ähnlich wie Tangerine verte von Miller Harris. Ich kriegte auf einmal solche Wunderbaum-Assoziationen.

    Ich hab insgesamt Probleme mit Gourmanddüften, auch wenn das Kunststoffartige fehlt, und trage nur ganz selten im Winter einen, Automne von Micallef. Der ist meistens zu süß für mich, aber manchmal eben auch genau richtig. Mit dem habe ich anscheinend ähnlich gerungen wie du mit der Überfahrt.

    Komisch, meistens finde ich Parfümbesprechungen in Beautyblogs langweilig, aber bei dir warte ich auch drauf, dass mal wieder was kommt.

    • Ha, nach Diesel hat die überfahrt auch gerochen, wenn man sich zu nahe am Motor befindet 😉 . Und auch interessant, Tangerine verte duftet wie ein türkischs Putzmittel, ich musste echt sehr schmunzeln.
      Danke für dein tolles Kompliment, das ermutigt mich, häufiger Parfümbesprechungen zu machen!

  3. keimonish sagt am 11. Januar 2012

    Pudrig riechende Düfte, mag ich nicht. Würde aber sicher hier fehlen, wenn er nicht drin wäre, denn es passt ja zum Orient. Wie eine Bosporus-Überfahrt riecht, weiß ich nicht aber mir würde etwas Frisches in den Sinn kommen, wegen……Wasser. Das riecht am Meer ganz anders als in Flüssen oder Teichen.
    So einen exotischen Duft besitze ich nicht und kenne ich auch nicht. Aber die Verbindung von Erlebnissen und Düften, DIE kenne ich gut und ich habe viele Dufterinnerungen, (nicht nur gute ).
    Kennst Du den Duft : Urlaub ? :-D))), wenn hier mal die Luft schön klar ist, es nach Sonne und Meer und Bäumen/Gras riecht…..dann riecht es für mich wie Urlaub. SO einen Duft hätte ich mal gern in der Flasche 🙂

    Deine Duftbeschreibungen hab ich schon vermisst …sehr fantasieanregend ! 🙂

    • Das ist schön 🙂 🙂 , dass meine Beschreibungen deine Phantasie anregen!
      Ich hatte mir übrigens bei der überfahrt über den Bosporus auch etwas mehr Frische vorgestellt. Den vor dir beschriebenen Urlaubsduft hätte ich sehr gern, da müssen die Parfümeure noch dran arbeiten!

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