Beruf Branche Naturkosmetik

Berufe in der Naturkosmetik-Branche 6: Produktionsleitung

Der Umzug liegt hinter mir, bis gestern Abend spät in die Nacht hinein mussten Kisten und Kartons geschleppt werden. Ab heute Nachmittag werde ich mich ans Auspacken machen, gebloggt wird zwischendurch am Küchentisch.

Da ich noch gar nicht an meine Kosmetik und Bücher herankomme, stelle ich euch in diesem Post Elke Lorenz-Lehmann vor, sie ist die Produktionsleiterin und Geschäftsführerin der Martina Gebhardt Naturkosmetik Produktions GmbH. Die Über-50-Jährige lebt auf einem Bauernhof in Kaltenberg im schönen Oberbayern und beherbergt dort einige Tiere (Hund, Katze, Pferd, Hasen, etc.).

Ich habe mich sehr gefreut, dass das Interview zustande gekommen, denn die Produkte von Martina Gebhardt erwähne ich ja öfter auf dem Blog – für mich ist es dann besonders spannend, ein bisschen hinter die Kulissen eines Unternehmens blicken zu können.

1. Wie sind Sie dazu gekommen, als Produktionsleiterin (und Geschäftsführerin) bei Martina Gebhardt zu arbeiten?

Ich habe eine Ausbildung zur technischen Assistentin Fachbereich Landwirtschaft gemacht und praktische Erfahrungen in chemischen-mikrobiologischen Laboratorien in den Bereichen Tierernährung, Molkerei, Pharmaindustrie und Nahrungsergänzungsmitteln gesammelt.

1996 habe ich Martina Gebhardt über eine Freundin kennengelernt, sie als sehr interessante Persönlichkeit wahrgenommen und als Menschen schätzen gelernt. In einem sehr langen und intensiven Gespräch hat sie mich für die Naturkosmetik begeistert. Neben der Perspektive, dass die Naturkosmetikbranche ein weites und zukunftsgerichtetes Bestätigungsfeld ist, hat mich die Unternehmerpersönlichkeit von Martina Gebhardt maßgeblich in meiner Entscheidung beeinflusst, den in der Firma neu geschaffenen Bereich Herstellung, Produktion, Qualitätssicherung zu verantworten.

Aber auch mein persönlicher Hintergrund spielt eine wichtige Rolle: Ich bin die ersten zwölf Jahre meines Lebens auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe mich schon sehr früh für Natur und Bio interessiert. Seit bald 27 Jahren bin ich außerdem Vegetarierin – damals war man noch ziemlich allein auf sich gestellt, wenn man es ablehnte, Tiere zu essen. Grundsätzlich lege ich Wert darauf, Dinge zu tun, hinter denen ein Sinn steht. Ich möchte einen Beruf nicht nur wegen des Geldverdienens ausüben.

Von dem damaligen Vier-Personen-Betrieb entwickelte sich die Firma rasant auf heute ca. 30 Angestellte. Ich bin stolz, dass ich an diesem Aufbau der Firma Martina Gebhardt maßgeblich beteiligt bin.

1999 wurde die Firma in eine Vertriebs GmbH und eine Produktions GmbH aufgeteilt, ich wurde Geschäftsführerin der Produktionsfirma. Dadurch änderte sich mein Aufgabengebiet von der reinen Produktion hin zur Verwaltung. Durch diese Position ist es mir möglich, den Gedanken von reiner Natur mit angenehmen Düften, wertvollen Kräutern und Ölen zur Herstellung von Naturkosmetik direkt in die Tat umzusetzen.

2. Welches Aufgabengebiet haben Sie als Produktionsleiterin?

Mein Aufgabengebiet ist umfassend und berührt viele Bereiche. Da wären z.B. die Erstellung neuer Formulierungen, die Qualitätssicherung, die Internetrecherche für neue Rohstoffe, die Umsetzung des Demeter-Gedankens beim Einkauf neuer Rohstoffe, die Bearbeitung der Etikettentexte, die Einhaltung der Vorschriften zur Kosmetikverordnung sowie die Herstellungsplanung, das Controlling, die Mitarbeiterführung und Arbeitsschutzbestimmungen, das Betreuen eines Messestands als auch die Weiterbildung oder die Meldung der Rezepturen an die Behörden.

3. Wie sieht ein typischer Tag aus?

Meine Arbeitstage sind sehr unterschiedlich. Zuerst checke ich meine Mails und beantworte dringende Nachrichten. Dann drucke ich mit einem Thermotransferdrucker die EAN-Codes und die Chargennummern für die Produkte, welche am Vortag hergestellt wurden.

Bei einer Visite in der Herstellung bespreche ich dann mit der Produktionsmitarbeiterin den genauen Tagesablauf, ob es Probleme bei der Herstellung gibt und ob wir im Zeitplan liegen. Wir machen Inprozesskontrollen während der Produktion, dabei wird z.B. die Dichte, der pH-Wert, das Aussehen und der Duft der Creme überprüft.

Apropos Herstellung: Ich erstelle die Herstellpläne nach dem Mondkalender. Wenn die Rezeptur eines Produktes festgelegt ist, wird die Herstellung nach meinen Vorgaben Schritt für Schritt durchgeführt. Da alle Fertigungsabläufe unter hygienisch einwandfreien Bedingungen stattfinden müssen, ist das Anziehen von Reinraumkleidung Pflicht. Ich selbst bin nur noch bei großen Arbeitsaufträgen oder beim Testen neuer Formulierungen inder Herstellung tätig.

Besonders spannend ist die Herstellung der Spagyrik. Bei dieser alchemistischen Methode destillieren wir aus Pflanzen hochwertige Essenzen und lösen aus deren Asche natürliche Salze. Die Salze enthalten die Information und Energie der Pflanzen. Diese spagyrische Essenz wird in das Wasser für die Produktion einer Creme eingerührt und potenziert. So kann das Pflegeprodukt mit seinen hochwertigen biodynamischen Demeter-Rohstoffen heilsam für die Haut werden.

Stichprobenmäßig überprüfe ich noch die Wareneingänge und Warenausgänge. Außerdem werden anhand der mikrobiologischen Gutachten die Fertigprodukte gekennzeichnet und für den Versand bereit gestellt.

Wichtig ist auch die enge Zusammenarbeit mit dem Demeter-Verband. Und natürlich muss ich immer auf dem neuesten Stand bezüglich der Kosmetikverordnung sein, ich besuche dazu Fortbildungsveranstaltungen bei verschiedenen Institutionen. Im nächsten Jahr greift die neue EU-Kosmetikverordnung und bis dahin muss noch einiges erledigt werden (z.B. eine Produktinformationsdatei nach Brüssel melden).

Wöchentliche Meetings mit der Vertriebsleitung der Firma Martina Gebhardt gehören ebenfalls zu meinen Aufgaben. Hier bekomme ich z.B. Aufträge für die Entwicklung von neuen Produkten. Man braucht viel Geduld und Erfahrung, bis ein Produkt marktreif ist. Letztendlich bin ich Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um die Produkte.

4. Was macht Ihnen besonders Spaß an Ihrem Beruf, was weniger?

Ich entwickle sehr gern neue Formulierungen, auch das Testen der neuen Produkte und die Internetrecherche für neue Rohstoffe machen mir großen Spaß. Mir gefällt es, auf Messen wie die Vivaness neue Demeter-Rohstoffe zu entdecken.

Im Laufe der Zeit habe ich mir ein Netz von Demeter-Bauern aufgebaut. Der Kontakt zu diesen Lieferanten ist mir sehr wichtig und immer wieder ein Erlebnis. Diese Lieferanten kennen unsere Ansprüche und sie helfen uns, unsere Rohstoffe in Demeter-Qualität zu erhalten.

Weniger Spaß macht es mir, wenn ein Mitarbeiter ausfällt und ich die Herstellpläne und Arbeitspläne wieder umschreiben muss…

5. Unterscheidet sich die Naturkosmetikbranche in Ihrem Beruf von der konventionellen Branche?

Wenn ich meinen Beruf bei einer konventionellen Kosmetikfirma ausüben würde, hätte ich bestimmt mehr mit Chemikalien und umstrittenen Rohstoffen zu tun. Sehr stören würde es mich auch, dass ich dann nichts mehr mit einzelnen Lieferanten zu tun hätte, sondern nur mehr mit großen Rohstoff-Chemiefirmen.

Was mir an der Naturkosmetikbranche nicht so gefällt, ist die Vielfalt der Siegel. Für weniger gut informierte Konsumenten ist es schwierig zu erkennen, wie viel „Natur“ in einem Produkt steckt. Greenwashing hat schon einen großen Schaden im Naturkosmetiksegment verursacht. Das macht es für die authentischen Naturkosmetikmarken auf dem Markt nicht gerade einfach.

6. Was sind Ihre persönlichen Lieblingsprodukte?

Gleich vorneweg: Das Ziel der besten Naturkosmetik muss es eigentlich sein, dass sich die Haut selbst wieder in ihr Gleichgewicht bringt.

Ich verwende nach dem Duschen sehr gern unser Aloe Vera Massage Oil, ein beruhigendes Öl für gereizte und irritierte Hautpartien. Die Chamomille Hand Cream pflegt und schützt meine Hände, besonders nach der Gartenarbeit. Und für mein Gesicht verwende ich unsere Happy Aging Cream als Tagespflege für meine reifere Haut.

Vielen Dank für das Interview!

Die bisherigen Teile meiner Blogserie: Einkäuferin bei Primavera, Produktmanagerin bei Dr. Hauschka, selbstständige Herstellerin von Naturkosmetik Waldfussel, PR- und Marketingreferentin bei carl.com und Vertrieb bei Intelligent Nutrients.

Könnt ihr euch nun ein bisschen besser vorstellen, wie die Produkte von Martina Gebhardt hergestellt werden? Ist der Bereich Produktion für euch beruflich interessant?

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11 Kommentare

  1. Es ist immer wieder ein Erlebnis mit Mitarbeitern von Martina Gebhardt zu sprechen. Was man schnell merkt, ist wie viel Ausstrahlung und Energie (in Ermangelung eines besseren Wortes) die Gründerin hat. Beim persönlichen Gespräch mit ihr wird einem das noch viel bewusster. Einfach nur: WOW! 🙂

    Das interessante Interview zeigt aber auch wie weit sich die Firma seit den Anfängen in der eigenen Küche entwickelt hat; und auch mit welchen Sachen man sich inzwischen herumschlagen muss. Stichwort: EU-Kosmetik-Verordnung.
    Umso schöner, dass man trotzdem noch direkt mit den eigentlich Erzeugern in Kontakt steht und diese Beziehungen pflegt.

    In ein paar Tagen ist unsere Naturkosmetikerin zur Sensisana-Schulung bei Martina Gebhardt. Ich bin schon gespannt auf ihre Eindrücke. 🙂

    Danke für das tolle Interview!

    Viele liebe Grüße aus Mainz
    Die Naturdrogerie

    • beautyjagd sagt am 22. Oktober 2012

      Ich finde es toll, wenn sich Menschen so mit der Philosophie des Unternehmens, für das sie arbeiten, identifizieren können. Da bekommt die Arbeit gleich eine ganz andere Bedeutung, sie dient eben nicht nur dem reinen Verdienen des Lebensunterhaltes. Mit Martina Gebhardt möchte ich mal sprechen, denn sie muss ja sehr charismatisch sein.
      Eine Sensisana-Schulung würde mir auch gefallen, denn die Texturen der Serie überzeugen mich ja immer noch.
      Liebe Grüße

  2. Interessantes Interview. Es ist doch erstaunlich, dass mit nur ca. 30 Mitarbeitern so viel tolle Kosmetik hergestellt wird.
    Produktionsleitung hört sich spannend an, gerade das Entwickeln neuer Produkte, die Rohstoffsuche und das Ausprobieren neuer Rezepte. Das sind Dinge, die ich auch gerne machen würde. Den ganzen Verwaltungskram drumherum finde ich nicht so prickelnd, aber es gehört halt dazu.
    Beim MG würde ich mal gern eine Betriebsbesichtigung machen oder besser noch ein Rührpraktikum.

    • beautyjagd sagt am 22. Oktober 2012

      Jaaaaa, eine Betriebsbesichtigung bei MG fänd ich auch ganz toll! Und bei einem Rührpraktikum wäre ich auch gleich dabei 🙂
      PS: Ich hatte auch mit mehr als 30 Mitarbeitern gerechnet.

  3. schön, dass er Umzug gut geklappt hat! Ich finde das wieder-auspacken und einräumen das kleinste übel am Umziehen, das schlimmste hast du also schon hinter Dir 🙂

    Ja und deine Blogpost ist toll! Mir viel auf dass du die Fragen richtig gut gewählt hast!!! Ja und der Blick hinter die Kulissen bei MG hat mir natürlich auch Spass gemacht. Vielen Dank!

    Der Job von Frau Lorenz-Lehmann klingt wenn man es hier so liest nach suuuuuuuuper viel Stress und trotzdem wirkt es als sei sie ganz entspannt bei der Sache. Das geht nur wenn das soziale Klima im Job stimmt und das scheint es zu tun (soweit ich das hier zo bewerten kann). Und wie die ND schon gesagt hat, es ist echt bewundernswert wie Frau einen 4 Leute Betrieb zu einen 30 Leute Betrieb aufbaut! Liefs, Liv

    • beautyjagd sagt am 22. Oktober 2012

      Danke schön für all die netten Worte zum Interview *freu*
      Und ja, ich bin so erleichtert, den schlimmsten Teil des Umzugs hinter mir zu haben. Jetzt gehts aufwärts,auch wenn noch viel zu tun ist.
      Liebe Grüße 🙂

  4. Christine Von sagt am 27. Oktober 2012

    Hallo!

    Interessantes Interview. Komme auch gerne mit zum Rühren :-).
    Probiere gerade Lavera Handcreme mit Bio-Mandel & Bio-Sheabutter
    und eine Nachtcreme Granatapfel/Orchidee von Yalia aus…

    • beautyjagd sagt am 28. Oktober 2012

      Ein Rühr-Workshop bei Martina Gebhardt, das wäre wirklich eine schöne Idee Viel Spaß beim Testen deiner neuen Sachen 🙂

  5. Ich Liebe ja inzwischen Produkte von MG 🙂 Danke für das spannende Interview!

    Komme auch mit zum rühren.

  6. Toll, das ist etwas was mich sehr anspricht! Ich arbeite in meinem RL Job auch aus Überzeugung, doch es wird dort nicht soooo wertgeschätzt. Letzenendes muss man die Gleichgesinnten finden, und dann geht es weiter…

    • beautyjagd sagt am 19. November 2013

      Das sehe ich auch so – Gleichgesinnte finden ist einfach sehr wichtig!

Kommentare sind geschlossen.