In der letzten Woche habe ich eine originelle Pressemeldung bekommen, die den Launch einer neuen Kosmetikmarke in Deutschland ankündigt. Ich reagiere selten auf solche Sendungen, in diesem Fall erstaunte mich jedoch das Konzept.
In dem Päckchen lag eine leere Plastikflasche, deren Marke noch nicht genannt wurde. Dafür befindet sich darauf ein Aufdruck, der die Zusammensetzung des Preises für das Produkt erklärt. Die meisten Marketingstrategien sind darauf angelegt, die “wertvollen” Inhaltsstoffe eines Cremetiegels in den Mittelpunkt der Kampagne zu stellen. Die Preiskalkulation wird gegenüber dem Kunden nicht offen gelegt.
Hier steht auf der Flasche, dass die Rohstoffe (inkl. Forschung/ Entwicklung) und die Verpackung für das Produkt ungefähr ein Drittel des Preises ausmachen. Dazu kommen Kosten für die Markteinführung (Marketing im weitesten Sinne), allgemeine Vertriebskosten, Logistikkosten, indirekte Kosten (wahrscheinlich sind Gemeinkosten gemeint), Steuern (ich nehme an, es handelt sich um Unternehmenssteuern) und der kalkulierte Nettogewinn. Zusammengerechnet ergibt dies dann einen Verkaufspreis von 10 EUR ohne Mehrwertsteuer.
Da die Produkte der neuen Marke über das Internet (und einen eigenen Laden in Paris) verkauft werden, fallen die Vertriebskosten hier deutlich niedriger als bei Produkten aus, die über den Handel verkauft werden. Auch die Marketingkosten dürften bei anderen Marken höher liegen.
Selbst wenn ich denke, dass einzelne Posten des Beispiel-Produkts etwas niedriger oder höher sein können als gezeigt, wird mit dieser Rechnung deutlich gemacht, dass man als Kundin niemals nur die Inhaltsstoffe für ein Produkt bezahlt. Diese machen sogar einen eher kleineren Teil der Kalkulation aus.
Ich bin mir nicht sicher, wie vielen Kundinnen das bewusst ist. Mir wurden diese Zusammenhänge erst klar, als ich mich beruflich mit dem Thema Produktkalkulation auseinandergesetzt habe. Davor hatte ich diffuse Vorstellungen vom Wert (und entsprechend der Wirkungsweise) eines Kosmetikprodukts.
So, und nun kommt der Spoiler, also alle weglesen, die im Juni überrascht werden möchten, um welche Marke es sich handelt.
Ich habe im April zufälligerweise den Flagship-Store der Marke Etat Pur in Paris entdeckt (siehe Foto, leider hinter einer Baustelle), als ich die Rue de Rennes zum Gare Montparnasse entlang spaziert bin. Die Pressemeldung mit dem Hinweis auf ein neues Geschäft im Pariser Viertel Saint-Germain-des-Prés ließ mich sofort an Etat Pur denken. Ich fragte bei der Pressestelle nach und erfuhr, dass ich richtig geraten hatte.
Die Produkte der französischen Marke, die nun international auf den Markt gebracht werden, wurden übrigens in den Laboren der Groupe Naos entwickelt, die auch Bioderma oder Institut Esthederm herstellen. Etat Pur stammt also aus dem Umkreis der französischen Apothekenkosmetik.
Wie findet ihr diese Offenlegung der Preiskalkulation? Ist das eine geschickte Werbe-Strategie? Wie habt ihr den Wert eines Kosmetikprodukts bisher eingeschätzt?
Wow, ein toller, interessanter und informativer Post!
Aber ehrlich gesagt glaube ich das die Offenlegung der Preisstruktur ein wohlkalkulierter Schachzug ist und inwiefern die Rechnung mit der Realität übereinstimmt wage ich auch zu bezweifeln. Ist ein Netto-Gewinn von 8% realistisch? Ich glaube kaum!
Ich bin natürlich auch ein bisschen kritisch, was die genauen Angaben auf der Packung angeht, schließlich handelt es sich sicherlich um eine sehr bewusst gewählte Marketingstrategie. Ich bin gespannt, wie sie ankommt – mich hat sie ja schon mal dazu gebracht, darüber zu berichten 😉 . Ob die 8% Nettogewinn realistisch sind, weiß ich auch nicht – ich habe mal bei einer Firma gearbeitet, die von 5% ausging… aber das war in einer anderen Branche.
Hab die Flasche auch bekommen, mich aber bisher noch nicht damit auseinander gesetzt. Fand es spannend.
Ich finde es an sich schon sehr krass, wenn man realistisch abzieht, was der Einzelhandel bekommt. Auch einmal wirkt alles sehr realistisch.
Oh ja, wenn man berechnet, was der Handel so abbekommt (wenn das Produkt nicht wie hier im Eigenvertrieb verkauft wird), dann kommt man nochmals zu ganz anderen Preisen.
Ich bezweifle, dass es den Preis großartig beeinflusst ob ein Produkt über den Einzelhandel oder selbst vertrieben wird. Immerhin muss der Hersteller beim Eigenvertrieb selbst Läden unterhalten – und muss dabei ohne andere Marken auskommen.
Viele Grüße aus Mainz
Die Naturdrogerie
Etat Pur scheint ja vor allem auf den Vertrieb über den eigenen Internet-Shop zu setzen, wenn ich das richtig verstanden habe.
Abgesehen davon bin ich übrigens gern bereit, Geld für den Handel zu bezahlen, wenn ich denn gut beraten werde (wie z.B. bei euch), was leider nicht überall der Fall ist (oder sogar eher eine Seltenheit ist).
Über die Qualität der Beratung haben wir uns ja schon mal unterhalten. 😉
Ich wollte jetzt auch gar keine Diskussion Eigenvertrieb gegen Einzelhandel lostreten. Beides sind funktionierende Konzepte und beide haben ihre Daseinsberechtigung.
Um aber noch mal auf den Preis zurückzukommen. Ich glaube einfach nicht, dass das Vertriebskonzept hier tatsächlich einen Einfluss hat. Irgendwo muss man dann doch die Kosten für Werbung, Beratung, Verkauf, Vertriebsnetz, Lagerhaltung usw. unterbringen. Auch bei einem Onlinevertrieb.
Ich halte die Sache mit der “Preistransparenz” auf der Flasche übrigens für einen reinen Marketingschachzug; wenn auch einen sehr geschickten. Zumal die Kostenaufstellung noch ziemlich grob ist. Ich lasse mich aber gern überraschen was am Ende bei den Inhaltsstoffen tatsächlich rauskommt; über die Herstellungsbedingungen wird wahrscheinlich geschwiegen. Denn wie wir ja wissen, trennt sich dann die Spreu vom Weizen. 🙂
Viele Grüße aus Mainz
Die Naturdrogerie
In diesem Fall kann ich natürlich auch nicht beurteilen, ob die Vertriebskosten höher liegen würden, wenn die Produkte z.B. über Apotheken vertrieben würden.
Aber wenn ein Hersteller sich dazu entschließt, seine Produkte über den Einzelhandel zu vertreiben (insbesondere wenn es sich um mächtige Ketten handelt), dann kommen doch zusätzliche Kosten auf den Hersteller zu. Bubble and Bee haben das mal für amerikanische Verhältnisse beschrieben, ist bei uns sicher nicht viel anders. Und wenn ich bedenke, was es kosten kann, bei Douglas erst mal gelistet zu werden…
Und für dich dürften die Produkte von Pure Etat nichts sein, aber das war dir wahrscheinlich auch schon klar 😉 🙂 .
Liebe Grüße 🙂
Sie schreiben zwar nicht die “wertvollen” Inhaltsstoffe drauf, doch zeigt die Preiskalkulation, dass die “wertvollen” Inhaltsstoffe mit Abstand das teuerste am Endprodukt sind. Das ist in meinen Augen praktisch das selbe. Allerdings, wenn es wirklich so gemeint ist, vielleicht ein wenig ZU subtil.
So kann man das natürlich auch betrachten, du hast recht! Allerdings gehören zu den Einzelkosten des Produkts eben auch Verpackung, Forschung&Entwicklung oder die Produktion, nicht nur die Rohstoffe (nur ob das einem “durchscnittlichen” Kunden klar ist?).
Ich gebe Miss Sugar Shack absolut recht. Diese “Offenlegung” der Preiskalkulation ist eine Marketingstrategie. Ob die geschickt ist weiss ich nicht, bei mir zieht sie überhaupt nicht. Liegt sicherlich daran, dass ich berufsbedingt zu viel über Preiskalkulationen weiss.
Davon mal aber ganz abgesehen bin ich auf diese neue Marke trotzdem sehr gespannt. Weisst Du schon etwas mehr über die Marke und die Produkte, Julie?
Ich habe mir bisher nur von ein paar Produkten die Inhaltsstoffe angesehen, die waren immerhin eher an NK dran als andere französische Apothekenkosmetikmarken. Mehr Infos habe ich aber noch nicht, Etat Pur wird ja auch erst im Juni lanciert.
Ich muss sagen, dass ich schon wusste, dass man bei einem Produkt nicht nur für die Inhaltsstoffe bezahlt und es mich immer ein bisschen aufregt, wenn Leuten das nicht bewusst ist. Im Restaurant bezahlt man ja auch nicht nur für den reinen Warenwert der Produkte, sondern auch für Miete, Strom und Personalkosten mit – warum sollten bei Kosmetikprodukten keine solchen Nebenfaktoren vorhanden sein?
Ob diese Strategie nun klug ist oder nicht, weiß der Henker, aber zumindest ist es doch mal recht erfrischend, wenn ein Unternehmen so offen mit diesen Zahlen umgeht.
Ich fand es auch sehr ungewöhnlich, die Preise so offen zu legen. Immerhin erregt es (auch meine) Aufmerksamkeit. Allerdings habe ich mich gefragt, was andere Kosmetikmarken wohl zu dieser Art der Offenlegung sagen. Gerade große Highend-Marken mystifizieren ja teilweise die Inhaltsstoffe ihrer Produkte richtiggehend…
Hey Julie,
ein sehr interessanter und informativer Post! … Ehrlich? – ich hätte die Selbstkosten des Produkts um einiges höher eingeschätzt … Echt Wahnsinn wie viel wir alleine für “Drum herum” ausgeben!
Danke schön für die Anregung!
Liebe Grüße
Anna
Ja, das Drumherum ist eben nicht kostenlos, das war mir früher auch gar nicht so klar. Liebe Grüße 🙂
Als ich die Haelfte Deines Artikels gelesen hatte, habe ich auf Etat Pur getippt und lag anscheinend richtig, hihi. Auf franzoesischen Blogs konnte man letztes Fruehjahr sehr viel ueber die Marke lesen. Sie scheint ja halbwegs erfolgreich zu sein, wenn sie jetzt expandiert.
Ah cool, du hast Etat Pur auch erkannt 🙂 . Dann werde ich gleich mal auf französischen Blogs stöbern und gucken, was die so schreiben – auf die schlaue Idee bin ich noch gar nicht gekommen 🙂 .
überraschend finde ich es nicht. ist ja nicht nur bei kosmetik, sondern bei allen produkten so, dass man mehr als den herstellungswert zahlt. das ist ja eigentlich logisch und ich gehe schon davon aus, daß das auch jeder weiß.
interessant ist es im detail trotzdem.
Ja *nick*, das gilt natürlich nicht nur für Kosmetik, sondern auch alle anderen Produkte.
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