In diesem Beauty Briefing möchte ich einen Gedanken teilen, der mir vor einigen Monaten beim Ausprobieren einer neuen Gesichtsreinigung in den Kopf gekommen ist.
Schon seit einiger Zeit wird der Begriff Anti-Aging im Marketing nicht mehr so oft verwendet, da er zu Recht als alters- und frauenfeindlich gilt. ‘Jung bleiben’ ist jedoch weiterhin das Mantra der Kosmetikindustrie, die damit gesellschaftliche Bedürfnisse aufgreift. Doch warum wird eigentlich so wenig über die Vorzüge des Älterwerdens gesprochen und geschrieben? Selbstverständlich ist beim Älterwerden nicht alles einfach, doch es gibt positive Aspekte, die sich junge Menschen kaum erschließen können. Dazu gehören nicht nur ein hoffentlich gefestigteres Selbstvertrauen und mehr Lebenserfahrung, sondern auch ein größeres Spektrum an sensorischen Genüssen – auch im Bereich der Kosmetik.
Beginnen wir mit meinem sensorischen Erlebnis, das ich ganz zu Anfang erwähnt habe. Gerade teste ich viel koreanische Kosmetik, um meinen Beauty-Horizont gezielt zu erweitern. Dabei hat es mir die koreanische Kräuterkosmetik, auf Koreanisch “Hanbang” genannt, besonders angetan: Eine Vielzahl an pflanzlichen Extrakten wird dafür nach den Prinzipien der koreanischen traditionellen Medizin ausgewählt und in Kosmetikprodukten eingesetzt. ‘Healthy Aging’ wird somit umfassend betrachtet, die Widerstandskraft und Gesundheit der Haut soll langfristig gestärkt werden.
Aus der Linie Timetreasure der Premiummarke Sulwhasoo wurde mir der Extra Creamy Cleansing Foam empfohlen. Schon der Name “Timetreasure” der Produktlinie deutet an, dass sie für ältere Menschen gedacht ist (vermutlich Zielgruppe 50+, 60+ und älter). Im Mittelpunkt steht ein rarer Extrakt der roten Kiefer. Schon eine kleine Perle der Reinigungscreme genügt für die Reinigung des gesamten Gesichts. Man schäumt sie mit etwas Wasser zwischen den Händen auf und verteilt den cremigen dichten Schaum auf der Haut.
Und wow: Auf meiner Haut fühlt sich der Schaum wie Seide an, dazu kommt der ephemere Duft, der mich an eine milde Brise in einem Pinienhain am Mittelmeer erinnert. Formulierungskunst at its best! Ich freue mich jeden Abend auf das reinigende Ritual. Sowohl haptisch als auch olfaktorisch punktet dieses Reinigungsprodukt, das zudem noch in einer hochwertigen und ansprechend aussehenden Tube verpackt ist. Spannend finde ich, dass der Cleansing Foam direkt in der Tube nicht so interessant duftet. Ich vermute, dass die Duftstoffe verkapselt und erst durch die Reibung zwischen den Händen mit Wasser aktiviert werden. Nach der Reinigung fühlt sich meine tendenziell trockene Haut nicht ausgetrocknet und sogar gepflegt an.
Als Zwanzigjährige hätte ich dieses sensorische Erlebnis nicht so wahrnehmen können: Ich hatte damals nicht nur einen anderen Hautzustand, sondern auch andere Ansprüche an Kosmetik. Solche komplexen Düfte und Texturen konnte ich erkennen, aber nicht wirklich verstehen oder gar fühlen. Erst mit den Jahren – und ich bin mir sicher, da kommt zukünftig noch mehr – wachse ich in diese fortgeschrittene Sensorik hinein. Selbstverständlich hat sie ihren höchst erwachsenen Preis 😉 , der Cleansing Foam kostet um die 50 Euro, die dazu passende Creme aus der Timetreasure-Linie gibt es für ca. 400 Euro.
Es dürfte sich bei der Kosmetik ähnlich wie beim Wein verhalten:
In jungen Jahren bevorzugt man meist frische, fruchtige Weine ohne zu große Komplexität. Erst mit der eigenen Reife werden einem weitere sensorische Ebenen bewusst: Durch die wachsende Erfahrung hat man einen schärferen Sinn für Details gewonnen. Der Weinblogger meines Vertrauens Matthias Neske von Chez Matze hat mir drei Weine genannt, von denen er denkt, dass man sie ebenfalls erst im gehobenen Alter versteht: Sherry, der nach dem zugleich traditionellen wie auch spektakulären Solera-Prinzip hergestellt wird, trägt zugleich die Elemente der Unsterblichkeit und der Vergänglichkeit in sich. Auch ein italienischer Barolo im alten Stil lagert einige Jahre im Weinfass, bevor er abgefüllt wird. Erst nach weiteren 30 Jahren befindet er sich auf seinem geschmacklichen Höhepunkt. Aus spät gelesenen, edelfaulen Trauben wird der Sauternes aus dem Bordeaux-Gebiet hergestellt, der süße Wein schmeckt konzentriert und hat eine fast dicklich-ölige Textur. Alle drei Weine haben gemeinsam, dass sie nicht nur Zeit für die Herstellung und Reife benötigen, sondern auch einen so komplexen Geschmack haben, dass man für den vollen Genuss einen erfahrenen Gaumen benötigt.
Bei der Kosmetik ist es nicht anders: Auch wenn im Moment im Internet hauptsächlich über einzelne Wirkstoffe wie Retinol und Fruchtsäuren berichtet wird und Inhaltsstoffe vorwiegend hinsichtlich ihrer Wirkung unter die Lupe genommen werden, bietet Kosmetik eine nicht zu vernachlässigende sinnliche Ebene. Oft werden sensorische Aspekte von den meist jungen Skinfluencern weniger beachtet bzw. Duftstoffe oder texturunterstützende Inhaltsstoffe abgelehnt.
Erfolgreiche und traditionelle Kosmetikmarken, die sich intensiver mit einer älteren Kundschaft befassen, kombinieren die zum Alter passenden Wirkstoffe mit einer komplexeren Sensorik. Drei Beispiele aus dem Bereich der Naturkosmetik: Der in der Regeneration-Serie von Dr. Hauschka eingesetzte Duft wurde speziell für Frauen entwickelt, die nicht mehr ganz jung sind. Auch die Kamelien-Serie von Sensisana mit ihrem warmen, blumigen Amberduft und ihren geschmeidig-sahnigen Texturen fällt in diese Kategorie, ebenso wie die Linie Naturoyale von Annemarie Börlind.
Natürlich mag ich auch minimalistische Kosmetik (Abwechlsung muss sein), jedoch schätze ich zunehmend kenntnisreich zusammengestellte Wirkstoffkombinationen sowie eine meine Sinne ansprechende Sensorik von Produkten. Die Anwendung von Kosmetik soll schließlich nicht nur zweckmäßig sein, sondern auch Freude und Genuss im Alltag bereiten. Ein Hoch auf diesen Aspekt des Älterwerdens, den man nicht unterschätzen sollte.
Mit diesen Inspirationen wünsche ich allen eine schöne Beauty-Woche! Auf dem Foto oben ist unten rechts eine im Herbst blühende Kirschenart abgebildet.