Beauty-Bloggerinnen bzw. -Influencerinnen wurden lange nicht ernst genommen – und vermutlich ist das sogar bis heute so. Schon vor Jahren habe ich hier oder hier darüber geschrieben, weshalb ich mit meiner Leidenschaft für Kosmetik in der Vergangenheit eher zurückhaltend in der Öffentlichkeit umgegangen bin. Das hat sich mittlerweile verändert, denn mir wurde zunehmend klar, welche wichtige Rolle Kosmetik nicht nur in meinem Leben spielt.
Aus diesem Grund habe ich mich sehr darüber gefreut, dass sowohl der deutsche Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel IKW als auch der europäische Fachverband der Kosmetikindustrie Cosmetics Europe sich mit der Essentialität von Kosmetik beschäftigt haben. Hintergrund für das Aufgreifen dieses Themas ist der Green Deal der EU und die damit verbundene nachhaltige Strategie für den Umgang mit Chemikalien (CSS) – doch davon ein anderes Mal.
Wie viele Kosmetikprodukte habt ihr heute schon verwendet? Bei dieser Frage kam ich ins Nachzählen und staunte selbst ein bisschen über das Ergebnis. Selbst an einem ganz normalen Tag ohne eine Veranstaltung kam ich auf über 15 Produkte, die von einem Gesichtsreiniger über Zahnpasta und Duschgel bis hin zum Deo, Shampoo, Conditioner, Haarschaum, Mascara, Lidschatten, Lippenpflege, Mizellenwasser und meiner mehrschrittigen Gesichtspflege-Routine reichen. Aber auch eine Minimalistin wird wahrscheinlich nicht ohne Zahnpasta, Deo, Seife und einem pflegenden Balm oder Öl auskommen.
Dass Kosmetik für den allergrößten Teil der Menschen essentiell ist, dürfte unbestreitbar sein. Das bestätigt auch die repräsentative Studie des Marktforschungsinstituts Rheingold Salon, die der IKW in Auftrag gegeben hat: 91% der befragten Menschen verwenden eine Zahnpasta, über 70% können nicht auf ein Deo verzichten. Nach der Studie des Marktforschungsinstituts IFOP, die von Cosmetics Europe vorgestellt wurde, verwenden Menschen wöchentlich durchschnittlich 13 verschiedene Produkte.
Kosmetik erfüllt dabei mehr Funktionen, als man vielleicht zunächst denken würde. Die Studie des IKW zeigt, dass das physische und psychische Befinden oft von kosmetischen Produkten abhängen: Als die Friseursalons während der Pandemie geschlossen waren, haben sich viele Menschen mit ihrem etwas zotteligeren Look nicht besonders wohl gefühlt. Und ohne Deo fände ich das Leben auch ganz schön unangenehm.
Die Motive für die Verwendung von Kosmetik reichen aber noch weiter. Kosmetikprodukte werden gemäß der Studie als kultivierend, gesellschaftsrelevant, Werte ausdrückend, individualisierend, strukturgebend im Alltag und verjüngend empfunden: Mit einer gepflegten Erscheinung drückt man aus, das Leben im Griff zu haben und nicht verwahrlost zu sein. Kosmetik bietet zudem die Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit und die eigenen Werte nach Außen darzustellen. Außerdem strukturiert die morgendliche oder abendliche Dusche den Alltag, anschließend fühlt man sich erfrischt und erneuert. Wichtig war den Teilnehmer*innen der Studie übrigens auch, immer mal wieder ein neues Produkt zu verwenden, um in den Genuss des Gefühls der Erneuerung bzw. der Verjüngung zu kommen (ein interessanter Aspekt, über den ich noch ein bisschen nachdenken werde).
Die Wirkung von Kosmetik ist also längst nicht nur oberflächlich. Das zeigten auch Beiträge auf der Cosmetics Europe Annual Conference (CEAC): Anna Segatti von der Organisation ‘Look Good Feel Better’ sprach darüber, wie hilfreich Kosmetik-Seminare für krebskranke Menschen sind. Die Teilnehmer*innen lernen dort, wie sie mit den äußeren Veränderungen während der Krebstherapie umgehen können und gewinnen so ein Stück ihrer Würde zurück. In Italien wird sogar über steuerliche Erleichterungen für Kosmetik von krebskranken Menschen diskutiert.
Prof. Phillippa Diedrichs aus Bristol forscht im Fachbereich der Psychologie zum Thema Body Image. In ihrem Vortrag auf der CEAC sprach sie über die psychologischen Auswirkungen von Kosmetik: Es ist eindeutig belegbar, dass das Aussehen die eigene Identität beeinflusst. Ein negatives Körper-Selbstbild führt zu sozialen Problemen, die sich nicht nur im Privatleben, sondern auch im Job auswirken. Oft sind Kosmetikprodukte und -rituale eng mit physischer und psychischer Gesundheit verbunden. Phillippas Eindruck ist es, dass das Thema Kosmetik oft nicht wirklich ernst genommen wird, weil es – anders als z.B. Wein oder Technik – als ein eher ‘weibliches’ Thema gilt. Leider denke ich das auch.
Kosmetik ist nicht trivial.
Um essentiell zu sein, muss Kosmetik ihrer Meinung nach jedoch deutlich inklusiver und diverser sein. Dazu gehört auch, dass veraltete Frauenbilder aus der Kosmetikwerbung verschwinden, die dazu beitragen, dass das Thema Beauty als trivial angesehen wird. Phillippa empfiehlt eine neue Themensetzung in der Kommunikation von Kosmetik, bei der nicht mehr die sexuelle Attraktivität der Frau im Mittelpunkt steht, sondern ein diverseres Menschenbild. Die Essentialität von Kosmetik hängt für sie eng mit der neu zu erarbeitenden Rolle der Kosmetikindustrie innerhalb der Gesellschaft zusammen. Sie rief die Kosmetikfirmen dazu auf, sich für Inklusion, Diversität, ethische Verantwortung und Nachhaltigkeit zu engagieren – und in diesen Bereichen einen essentiellen Part einzunehmen.
Mit diesen nachdenkenswerten Inspirationen wünsche ich allen eine schöne Beauty-Woche!