In Zusammenarbeit mit Primavera // In meinen Beauty-Notizen und auch auf Instagram (siehe Stories in den Highlights) habt ihr es bereits mitbekommen: Vom 16.6. bis zum 21.6.2019 war ich auf einer Duft- und Erlebnisreise im Kräuter- und Lavendelparadies Piemont unterwegs. Veranstaltet wurde die Reise von der Primavera Akadamie, die eine ganze Reihe an Fortbildungen für Fachkräfte aus Pflege, Apotheke oder Fachhandel anbietet. Sehr beliebt sind die Duftreisen, die stets lange Wartelisten haben. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass ich in diesem Jahr mit ins Piemont im Nordosten Italiens fahren konnte.
Sonntagmorgen um 9:30 Uhr ging es ab Kempten bzw. Oy-Mittelberg mit dem Bus via Österreich und Schweiz in Richtung Italien. Am frühen Abend durften wir uns dann schon über die wunderschöne, kleinteilige Landschaft im Piemont und einen Sonnenuntergang und Abendlicht wie aus dem Bilderbuch freuen (siehe Foto oben)!
Punto Verde
Untergebracht war unsere Reisegruppe für die knappe Woche im Ferien- und Seminarzentrum Punto Verde. Es liegt idyllisch mitten in der Landschaft auf einem Berg, rundum gibt es nur Natur: Der nächstgrößere Ort ist der Kurort Acqui Terme. Geführt wird Punto Verde von der Schweizerin Ursula Stör, die den Bauernhof komplett umgebaut hat. Nachhaltigkeit spielte hierbei eine wichtige Rolle: Eine Photovoltaikanlage sorgt für den Strombedarf, die zum Hof gehörige Landwirtschaft wird nach biologischen Grundsätzen betrieben und der Pool ist ein Naturschwimmbad. Und ja, die Abkühlung konnten wir zwischendurch gut gebrauchen 🙂 ! Im Hofladen kann man übrigens selbst hergestellte Produkte wie Marmeladen oder Gebäck kaufen. Selbstverständlich habe ich bei den gerösteten Haselnüssen zugeschlagen, für die das Piemont bekannt ist.
Unsere Gruppe setzte sich aus knapp 30 TeilnehmerInnen zusammen (ein Mann war auch dabei). Voraussetzung für die Teilnahme an der Reise war ein vorhergehendes Aromapflege Basis-Training bzw. der Abschluss Aromafachberaterin. Geleitet wurde die Reise von Anusati Thumm, die ich hier auf dem Blog schon öfter erwähnt habe. Sie ist international ausgebildete Aromaexpertin und bereits von Anbeginn bei Primavera dabei. Spannend fand ich, was sie über ihre eigene Motivation sagt, solche Reisen durchzuführen: Sie betrachtet sich als die “verlängerte Harke der Bio-Bauern”, indem sie dafür sorgt, dass mehr Menschen von der oft arbeitsaufwändigen Bio-Landwirtschaft erfahren.
Duftende Felder
Gleich am Montag ging es nach einer kurzen Einführung durch Anusati auf eine erste Feldbegehung. Zu Fuß erkundeten wir die in der Nähe von Punto Verde unterhalb von Castelletto d’Erro liegenden Felder mit Lavendel, römischer Kamille, Rosmarin oder Muskatellersalbei. Monokulturen gibt es in dieser Gegend nicht, die Felder sind klein und liegen gern auch mal auf Hügeln. Dazwischen stehen immer wieder Kirschbäume, Maulbeerbäume und gelb blühender, herrlich duftender Ginster.
Die Duftpflanzen aus dem Piemont kann man in verschiedene Pflanzenfamilien einteilen: Innerhalb der Aromatherapie spielen die Lippenblütler wie Lavendel, Ysop, Melisse oder Thymian die größte Rolle. Zu den Korbblütlern zählen die römische Kamille oder Immortelle; ein Beispiel für Doldenblütler ist der Fenchel.
Agronatura und Primavera
Die Felder, die wir auf der Reise besichtigten, gehören zum Anbau-Projekt Agronatura. Schon lange ist diese Kooperative mit Primavera verbunden: 1986 haben sich neun Landwirte zur ‘Cooperative Agronatura’ zusammengeschlossen. Heute sind es um die 50 Bauern, die circa 400 Hektar Ackerfläche nach Demeter-Richtlinien bewirtschaften. Leider konnte der Gründer und Präsident der Kooperative Piercarlo d’Appino auf unserer Reise nicht vor Ort dabei sein (er baut gerade ein neues Projekt auf). Er hatte sich vor Jahrzehnten eigeninitiativ bei Primavera vorgestellt und damit den Grundstein für die Zusammenarbeit gelegt. Bereits zu Beginn der 90er Jahre wurde dann die Landwirtschaft auf Demeter-Anbau umgestellt, um für Primavera ätherische Bio-Öle herstellen zu können. So unterstützt Primavera mit dieser verlässlichen und langjährigen Partnerschaft aktiv die Bio-Bauern in der ländlichen, abgelegenen Region.
Arbeitsaufwändiger biodynamischer Anbau
Selbstverständlich wusste ich schon vor der Reise ins Piemont, weshalb Produkte aus Demeter-Anbau grundsätzlich mehr kosten müssen. Aber unterwegs auf den Feldern wurde es mir nochmals anschaulich vor Augen geführt: Der Arbeitsaufwand für den Anbau von Duftpflanzen in Demeter-Qualität ist enorm, denn die Felder müssen ohne Pestizide von Beikräutern befreit werden. Bei der römischen Kamille bedeutet dies beispielsweise, dass mehrmals im Jahr in Handarbeit die Beikräuter ausgezupft werden müssen. Die Arbeiter müssen dabei kniend auf dem Boden robben… Ein mühsames Geschäft! Geerntet wird die römische Kamille dann einmal im Jahr im August. Für die Herstellung von einem Kilogramm ätherischem Öl werden hierfür 700kg Blüten der römischen Kamille benötigt. Nach solchen Erlebnissen schätzt man die kleinen Fläschchen mit den ätherischen Bio-Ölen noch viel mehr als vorher! Oben auf dem Foto seht ihr Mitarbeiter Marco von der Kooperative, der uns den Bio-Anbau inklusive “Kompost-Management” nach Demeter-Vorgaben und auch die Destillation erklärte (dazu gleich mehr).
Rosenernte
Bei einer Rosenernte dabei zu sein, das hatte ich mir schon immer mal gewünscht. Auf unserer Duftreise stand das am nächsten Morgen auf dem Programm: In der Nähe von Castelletto d’Uzzone durfte unsere Gruppe bei der Rosenernte helfen. Obwohl die Sonne bereits vormittags kräftig schien (und ich ja keine Sonnenanbeterin bin), ließ mich der berauschende Rosenduft quasi über dem Feld schweben. So sammelten wir etwa zwei Stunden lang Rosenköpfchen für Rosenköpfchen in die bereit gestellten großen Körbe. Gleich in der Nähe des Rosenfeldes befanden sich weitere Duftpflanzen-Felder mit Immortelle, Lavandin, Bitterfenchel oder Pfefferminze.
In der Erboristeria
Nach der Rosenernte gab es gleich das nächste Highlight im Programm der Duftreise für mich. Nachmittags konnten wir die traditionelle Erboristeria Negro in Cessole besuchen: Gegründet wurde sie von Teodoro Negro, dessen Pflanzenkenntnis sich bis in die Universtität Pavia herumgesprochen hatte. In der altmodisch eingerichteten Pflanzen-Apotheke beraten heute seine Tochter, die Ärztin und Phytotherapeutin Dr. Piera Matilde Negro sowie die Nichte und Pharmazeutin Dr. Enrica Maria Marchioni ihre Kunden mit viel Fachkenntnis und Herzblut. Wir durften nicht nur die Räume besichtigen, sondern auch einen Blick ins Herbarium werfen.
Vier Frauen aus unserer Gruppe hatten außerdem die Gelegenheit, sich individuell von den beiden Apothekerinnen beraten zu lassen. Obwohl es an diesem Nachmittag schwül und heiß war, hätte ich die Beratungen am liebsten noch länger mitverfolgt. Ich erstand ganz nebenbei ein Kamillen-Mazerat für empfindliche Haut (ein Sonnenblumenöl, in dem römische Kamille ausgezogen wurde). Vorwiegend wurden den Kundinnen jedoch individuell zusammengestellte Teemischungen und verschiedene Honigsorten empfohlen.
Destillation
Am nächsten Tag ging es zur Destillationsanlage der Cooperative Agronatura. Mit dem Bus mussten wir über enge und kurvige Straßen fahren, um zu den neuen Gebäuden der Kooperative in der Nähe von Spigno Monferrato zu gelangen. Als wir ankamen, war gerade die Destillation von Thymian an der Reihe: In Haufen lag das Pflanzenmaterial bereit, um in die großen Kessel gefüllt zu werden. Heißer Wasserdampf durchströmt für etwa 1,5 Stunden die Pflanzen. Auf diese Weise wird das ätherische Öl aus den Pflanzen gelöst; sobald man den Dampf abkühlt, kann man das ätherische Öl auffangen. Als Nebenprodukt entsteht dabei noch das Thymian-Hydrolat.
Im Seminar
Selbstverständlich kamen auch die theoretischen Lerneinheiten auf der Duftreise nicht zu kurz. Anusati stellte im Unterricht ausgewählte ätherische Öle detailliert vor. Die Profile der ätherischen Öle reichten dabei von der botanischen Einordnung der Pflanze bis hin zur chemischen Zusammensetzung des ätherischen Öls. Für die praktische aromatherapeutische Anwendung muss man die Pflanzen genau kennen: Selbst wenn die Namen manchmal ähnlich klingen, unterscheiden sich die Wirkungen der ätherischen Öle oft deutlich voneinander. Lavendel, Lavandin und Speiklavendel sollte man beispielsweise nicht verwechseln! Besonders schätze ich das große Erfahrungswissen von Anusati, die sich seit Jahrzehnten intensiv mit ätherischen Ölen beschäftigt.
DIY
Zum Abschluss des Seminars durften wir uns – in Gruppen aufgeteilt – jeweils an ein aromatherapeutisches DIY wagen, was großen Spaß gemacht hat. Meine Gruppe stellte ein erfrischendes Fußbad mit Pfefferminze, Salbei, Bergamotte und Rosengeranie her, das sehr ansprechend duftete. Interessant fand ich auch den öligen Lavendelauszug einer anderen Gruppe: Lavendelblüten und Kokosöl sind definitiv eine großartige Kombination!
Bevor es mit dem Bus wieder zurück über die Alpen ging, gab es am letzten Abend ein großes Abendmenu mit italienischer Live-Musik. Stimmungsvoll war auch das Räuchern mit Kräutern aus dem Piemont zum kurz bevor stehenden Mittsommer. Noch immer stecke ich voller Eindrücke, die ich aus dem Piemont mitnehmen konnte. Und meine Wunschliste an ätherischen Ölen ist auf der Reise nicht gerade kürzer geworden 🙂 .