Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft intensiv mit dem Mikrobiom. Darunter versteht man Mikroorganismen wie z.B. Bakterien, die in und auf dem Körper leben. Auch in der Kosmetikindustrie ist das Thema mittlerweile angekommen. In meinem Beauty Briefing stelle ich in dieser Woche drei Naturkosmetik-Produkte vor, die sich um das Mikrobiom drehen – sowie ein spannendes Siegel, das die Mikrobiomfreundlichkeit von Kosmetik prüft.
Auf Fachmessen ist mir in diesem Jahr mehrmals das Siegel “microbiom-friendly” ins Auge gefallen. Die Zertifizierung von MyMicrobiome bestätigt, dass Kosmetikprodukte das Mikrobiom der Haut nicht beeinträchtigen. Was für ein großartiger Zufall, dass die Gründerin und Mikrobiologin Dr. Kristin Neumann wie ich in Bamberg zu Hause ist und wir uns im Sommer im Biergarten zum Gespräch treffen konnten. Ihr Siegel hat es schon über die Grenzen Deutschlands hinaus geschafft und ziert beispielsweise bekannte koreanische Premiumkosmetik. Übrigens tragen auch Roh- und Wirkstoffe bereits das Siegel “microbiome-friendly”. Kristin möchte damit mehr Klarheit auf den Kosmetikmarkt bringen, denn es werden immer mehr Produkte ohne für den Verbraucher nachvollziehbaren Nachweis als mikrobiomfreundlich beworben.
Wie kann man also nachweisen, dass Kosmetik mikrobiomfreundlich ist? MyMicrobiome führt dazu standardisierte In vitro-Tests durch (In vivo-Tests wären kaum standardisierbar), in denen das jeweilige Produkt im Labor auf Schlüsselarten des menschlichen Hautmikrobioms trifft. Dabei werden vier Testdurchläufe vorgenommen: Zuerst wird die mikrobielle Qualität des Produkts geprüft, dann erfolgt ein Balance-Test, der zeigen soll, dass das Produkt nicht in das Gleichgewicht zwischen hautfreundlichen und hautschädlichen Bakterien eingreift. Im dritten Schritt wird die Auswirkung auf die Diversität des Mikrobioms untersucht, um die möglichst diverse Zusammensetzung des Hautmikrobioms zu erhalten. Im abschließenden Vitalitätstest werden Anzahl und Wachstum der Schlüsselorganismen im Kontakt mit dem Produkt gemessen.
Es gibt einige kosmetische Inhaltsstoffe, die für das Mikrobiom nicht förderlich sind. Dazu gehört z.B. die dauerhafte Anwendung von Fruchtsäuren. Auch zu viel Zinkoxid erfreut das Hautmikrobiom nicht. Grundsätzlich ist Kristin der Ansicht, dass eine zehnschrittige Gesichtspflege für ein intaktes Hautmikrobiom nicht unbedingt sinnvoll ist.
Wer mehr über das Mikrobiom erfahren möchte (und ich bin fasziniert davon, was das für ein spannender Bereich ist), dem lege ich die Info-Seite von MyMicrobiome ans Herz. In regelmäßigen Beiträgen kann man da erfahren, wie z.B. ein geschädigtes Mikrobiom mit Akne oder Rosazea zusammenhängt oder aber welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse es zum Thema gibt.
Mit dem Siegel ‘microbiom-friendly’ ist bereits die neue Natuwear Foundation von Annemarie Börlind ausgezeichnet. Die cremige Foundation in der Tube mit Pumpspender ist ein Hybrid-Produkt, das Pflege und Grundierung zugleich bietet: Die Foundation hat eine leichte bis mittlere, aufbaubare Deckkraft mit einem natürlichen, zart glowy Finish. Zugleich enthält sie Wirkstoffe wie das Harz des Pistazienbaums oder einen Extrakt der kleinblütigen Königskerze, die man sonst eher in Gesichtscremes vermuten würde. Auf meiner Haut sieht die Nuance ‘Beige’ der Foundation sehr natürlich aus und trägt sich schön schwerelos. Hier geht es zur Homepage von Annemarie Börlind. Mein Exemplar ist ein Pressesample.
Um das Mikrobiom in Balance zu bringen, werden häufig Prä- und Postbiotika (ganz selten echte Probiotika, dazu gleich mehr weiter unten) in Kosmetik eingesetzt. Dies ist auch beim Microflora Toner Utopia von Holifrog der Fall: Es handelt sich dabei nicht um einen klassischen adstringierenden Toner, sondern eher um ein pflegendes Gesichtswasser. Utopia enthält fermentierte Inhaltsstoffe (z.B. Honig von der schwarzen Biene oder ein Radieschenferment) sowie inaktivierte Laktobacillus-Bakterien. Meine Haut mag das beruhigende, ausgleichende und zugleich hydratisierende Gesichtswasser sehr gern. Die Textur ist ganz leicht gelig. Ohne Parfüm – duftet etwas schräg, was mich aber nicht stört (verfliegt schnell). Selbstgekauft. Gibt es in Deutschland z.B. bei Blanda Beauty oder Amazingy.
Dass das Mikrobiom ein wichtiges Thema in der Zukunft der Kosmetik sein könnte, zeigt auch das Investment von Rob Calcraft. Er gründete vor Jahrzehnten die Marke REN Skincare und gilt in der Branche als jemand, der seiner Zeit immer weit voraus ist. Nun widmet er sich mit seiner neuen Marke Cultured Biomecare dem Hautmikrobiom: Mit den Produkten von Cultured möchte er das Mikrobiom der Haut und die Hautbarriere stärken. Eingesetzt werden dafür Prä- und Postbiotika, außerdem entwickelte er ein Konservierungssystem, das das Mikrobiom nicht beeinträchtigen soll. In der gesamten Linie, die aus sieben Produkten besteht, wird auf Duftstoffe verzichtet. Ich habe mir ein Test-Set mit vier Produkten von Cultured Biomecare gekauft: Sowohl der Cleansing Balm, das Serum (das ich wie einen geligen Toner verwende) und auch die beruhigende reichhaltige Gesichtscreme haben elegante Texturen. Hier geht es zur Homepage von Cultured Biomecare, in Deutschland via Cult Beauty erhältlich.
Probiotika sind lebende Mikroorganismen.
Wenn Kosmetik mit probiotischen Wirkstoffen beworben wird, handelt es sich in fast allen Fällen um Prä- und Postbiotika. Als Probiotika bezeichnet man lebende Bakterien, die nicht so einfach in eine stabile Kosmetikformulierung einzuarbeiten sind. Dr. Kristin Neumann machte mich auf das Life Science-Unternehmen S-Biomedic in Belgien aufmerksam, das im Bereich des Hautmikrobioms forscht und die Kosmetikmarke Sencyr lanciert hat. In den Produkten kommen die lebenden Bakterien Live Cutibacterium acnes zum Einsatz, die die natürliche Hautflora wieder aufbauen, ins Gleichgewicht bringen und so Akne in Schach halten sollen. Der Bestseller ist die 30tägige Kur mit dem probiotischen Gesichtsserum von Sencyr. Ich bin sehr gespannt, welche Erkenntnisse die Erforschung des Hautmikrobioms noch bringen wird – und wie sie die Kosmetikformulierungen der Zukunft beeinflussen werden.
Mit diesen Inspirationen wünsche ich allen eine schöne Beauty-Woche!