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In Kooperation mit ProTec Ingredia // “Bienvenue! Welcome!” werden Birgit Haemel von ProTec Ingredia und ich begrüßt, als wir uns dem ehemaligen Bauernhof nähern. Wir befinden uns nicht weit weg vom Meer, nahe des berühmten Mont-Saint-Michel in der Bretagne. Dort ist der maritime Rohstoff-Hersteller Codif zu Hause, mit Algenbauer Jean-François Arbona war ich zuvor bereits auf dem Meer unterwegs. Nach der herzlichen Begrüßung sitzen Birgit und ich gemeinsam mit dem Team von Codif am runden Tisch im ersten Stock des typisch bretonischen Gebäudes.
Round Table mit Codif: Das Meer und die Natur
Ich mag die gemütlichen Häuser in der typischen Steinbauweise in der Bretagne sehr – wer hätte gedacht, dass hier der Firmensitz und Ursprung von Codif liegt? Der umgebaute Bauernhof befindet sich inmitten einer Polderlandschaft. Polder kennen einige von euch sicherlich aus Holland, darunter versteht man Flächen in der Nähe des Meerufers, die von Deichen umfasst werden. Bei Überflutungen bilden sie eine Art schützendes Überlaufbecken. In diesem Bereich zwischen Meer und Erde hat sich eine spezielle Pflanzenwelt angesiedelt – und auch das Unternehmen Codif hat an diesem Ort genau den richtigen Platz für sich gefunden.
Am runden Tisch erzählen mir Gründer und Geschäftsführer Romuald Vallée, der Forschungs- und Entwicklungsleiter Pierre-Yves Morvan und die Marketing-Managerin Gabrielle Moro die Geschichte von Codif. Wie hat alles begonnen? Auf meine Frage hin ergreift Romuald sofort das Wort, denn er kam bereits 1988 als Chemiker in die Firma: Vor über 40 Jahren expandierte die Meereskosmetik-Marke Phytomer und brauchte entsprechend Verstärkung im Labor. So fand sich Romuald in einem kleinen Labor wieder, das sich in diesem bretonischen Bauernhof befand, in dem wir nun gerade sitzen. Amüsiert erzählt Romuald, wie seine damals einzige Kollegin, eine Pharmazeutin, anfangs nicht damit rechnete, dass er länger im Unternehmen bleiben würde. Doch es kam anders als von ihr prognostiziert: Heute ist er der wissenschaftliche Leiter und Mitgeschäftsführer des Rohstoffherstellers Codif Technologie naturelle, der aus diesen Anfängen heraus entstanden ist. (Phytomer gibt es übrigens weiterhin, die Marke wurde jedoch von Codif getrennt.)
Von Beginn an ging es bei Codif um Algen und auch um mineralreiches Meereswasser, die als Wirkstoffe in der Kosmetik eingesetzt werden. Romuald entwickelte neue Techniken zur Herstellung von maritimen Rohstoffen: Durch Gefriertrocknung oder Extraktion der Algen mit Wasser – und damit ohne andere Lösungsmittel – konnten bereits zu dieser Zeit moderne Wirkstoffe in hoher Qualität und Reinheit angeboten werden. Auch Nachhaltigkeit spielte schon immer eine große Rolle bei Codif.
Ein Team mit Leidenschaft für das Meer (und die Bretagne)
Mit zunehmendem Erfolg wuchs im Laufe der Zeit auch das Team von Codif. Um die Kompetenzen im Unternehmen zu erweitern, wurden neue Spezialisten benötigt. 1997 konnte man den Biologen Pierre-Yves Morvan gewinnen, der zuvor in einem Labor in Rennes gearbeitet hat. Er baute bei Codif den Bereich der Wirksamkeitstests auf, so dass Rohstoffe bereits während der Entwicklungsphase gezielt auf ihre Wirkung auf der Haut (z.B. die Anregung der Kollagenbildung) getestet werden können. Codif kultiviert also nicht nur Algen und entwickelt weiterhin neue, nachhaltige Technologien für die Herstellung von Rohstoffen, sondern ist auch zum Experten für Wirksamkeitstests (in vitro) geworden.
Oben auf dem Foto seht ihr fünf der mittlerweile an die 60 Mitarbeiter von Codif, von denen über die Hälfte in der Forschung & Entwicklung arbeiten – der hohe wissenschaftliche Anspruch wird auch mit dieser Zahl unterstrichen. Ganz links steht Pierre-Yves Morvan (Forschung & Entwicklung), daneben Gabrielle Moro (Marketing), Romuald Vallée (Gründer und Geschäftsführer), dann Eric Gasparatto (Entwickler von Wirkstoffen) und Loic Pentecouteau (Spezialist für Hautmodelle, davon werde ich in einer späteren Folge noch genauer berichten). Zusammen mit zwei Partnerunternehmen erwirtschaftet Codif einen Umsatz von 20 Millionen Euro und gehört weltweit zu den renommiertesten Entwicklern von marinen Wirkstoffen.
Am Anfang waren das Meer und die Algen
In der DNA von Codif ist die Pflanzenwelt des Meeres fest verankert. Man betrachtet die Natur als Partner, Vorbild und Inspiration, weshalb man sie möglichst genau verstehen und auch schützen möchte. “Das Meer ist nicht nur der Ausgangspunkt für Codif, sondern für das gesamte Leben,” erklärt Gabrielle im Gespräch am runden Tisch.
Alles Leben auf der Erde begann vor ungefähr drei bis vier Milliarden Jahren mit den einzelligen ‘Blaualgen’, die wissenschaftlich als ‘Cyanobakterien’ bezeichnet werden. Sie nutzten das Sonnenlicht als Energiequelle, betrieben Photosynthese und setzten dadurch Sauerstoff frei. Im nächsten Schritt konnten sich Algen entwickeln, die man in Mikro- und Makroalgen unterteilen kann. Bis heute kann man die riesige Anzahl an verschiedenen Algenarten nur schätzen, viele davon sind bisher noch nicht genauer erforscht.
So gelten Algen als Ursprung allen Lebens; die Evolution der Pflanzen, Tiere und auch des Menschen ging letztlich von den Algen aus. Aufregend finde ich, dass Algen in der Kosmetik nicht nur aufgrund ihrer hohen Anteile an Mineralien, Proteine oder Antioxidantien für die menschliche Haut wertvoll sind. Sie können auch biomimetisch wirken: So weist z.B. die Struktur einer Algenmembran interessante Parallelen zur menschlichen Haut auf. Das deutet darauf hin, dass manche Wirkmechanismen von Algen auf die menschliche Haut übertragen werden können. Grob gesagt: Ein bisschen Alge steckt irgendwie noch immer in uns Menschen 😉 .
Für Codif ist das Studium der Natur deswegen eine wichtige Inspirationsquelle für die Entwicklung von neuen Wirkstoffen: Algen gelten als äußerst stressresistent und haben über Milliarden an Jahren Strategien entwickelt, um beispielsweise mit Trockenheit oder UV-Strahlung umzugehen. Diese Mechanismen erforschen die Wissenschaftler von Codif, um sie auch für den Menschen nutzen zu können.
Wie bei Codif die Ideen für neue Wirkstoffe entstehen, werde ich schon bald erfahren. Selbstverständlich spielt das Verständnis der Vorgänge in der Natur dabei eine große Rolle! Aber zunächst geht es zurück ins Labor von Mibelle Biochemistry in der Schweiz. Dort wird nun schon seit einer Weile daran getüftelt, wie man Moos als Wirkstoff für die Kosmetik gewinnen kann. Apropos Algen und Moose: Moose waren die ersten Pflanzen, die es innerhalb der Evolution vom Meer auf das Land geschafft haben…