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In Kooperation mit ProTec Ingredia GmbH // Seit vielen Jahren blicke ich vor dem Kauf eines Kosmetikprodukts automatisch auf die Angabe der Inhaltsstoffe. Ich möchte mir auf diese Weise ein genaueres Bild von dem Produkt machen und erfahren, was darin enthalten ist. Allerdings könnte ich niemals ein Produkt umfänglich beurteilen, von dem ich nur die INCI-Deklaration kenne: Wie sich die Textur auf der Haut anfühlt oder wie wirksam eine Formulierung ist, kann ich nicht aus der Auflistung der Inhaltsstoffe erkennen. Auch andere Informationen, die mir wichtig sind, finden sich nicht in der INCI.
Was die INCI überhaupt ist, seit wann es sie gibt, wie sie aufgebaut ist und welche Aussagekraft sie hat, das gibt es in diesem neuen Beitrag meiner Beauty-Fortsetzungsgeschichte zu lesen. Drei Expertinnen kommen ebenfalls zu Wort, die spannende Insights zum Thema beisteuern.
Was die INCI ist
Die Abkürzung INCI steht für “International Nomenclature of Cosmetic Ingredients” und bezeichnet seit 1997 die gesetzliche Vorgabe für die korrekte Angabe der Inhaltsstoffe auf Kosmetikprodukten. Welche Inhaltsstoffe in Kosmetik enthalten sein dürfen, das wird in der europäischen Kosmetikverordnung Nr. 1223/2009 geregelt.
In der frei zugänglichen Datenbank CosIng der europäischen Union werden alle zugelassenen Inhaltsstoffe mit ihrem zugewiesenen INCI-Namen aufgeführt. Pflanzliche Stoffe werden mit ihrem botanischen Namen, dem Pflanzenteil und der Form des Materials bezeichnet, z.B. ‘Avena sativa Kernel Oil’ für Hafer-Öl oder ‘Magnolia officinalis Bark Extract’ für Magnolienrinden-Extrakt. Für synthetische Inhaltstoffe wird meist die englische bzw. chemische Bezeichnung wie ‘Tocopherol’ für Vitamin E genommen.
Der Aufbau der Angabe der Inhaltsstoffe gemäß INCI
Die Inhaltsstoffe eines Kosmetikprodukts werden nach absteigender Menge aufgelistet: Das heißt, dass Inhaltsstoffe mit den mengenmäßig größten Anteilen zuerst genannt werden. Inhaltsstoffe, die weniger als 1% im Produkt enthalten sind, können anschließend ohne bestimmte Reihenfolge angegeben werden. 26 als allergen eingestufte Bestandteile von Duftstoffen müssen ab einer gewissen Menge ebenfalls in der INCI aufgeführt werden. Ganz zum Schluss der INCI stehen die im Produkt enthaltenen Farbstoffe mit der jeweiligen CI-Nummer (Colour-Index), z.B. CI 77941 für rotes Eisenoxid. Nano-Partikel werden mit dem Wort ‘Nano’ in Klammern gekennzeichnet.
Wie entsteht eigentlich die INCI eines neuen Rohstoffs?
Die oben bereits erwähnte Datenbank CosIng umfasst etwa 30.000 Namen für kosmetische Rohstoffe. Aber wie wird eigentlich vorgegangen, wenn ein neuer innovativer Wirkstoff entwickelt wurde, dessen Name sich noch nicht in diesem Index befindet? Dazu habe ich Beata Brawand, Head of Sales bei Mibelle Biochemistry, befragt. Sie erklärte mir, dass für neue Wirkstoffe neue INCI-Namen beantragt werden können. Diese Bezeichnungen müssen wie weiter oben beschrieben zusammengesetzt sein und zur Prüfung eingereicht werden. Wenn die Prüfung der Eingabe durch die Kosmetik-Kommission erfolgreich war, wird dem Material der INCI-Name zugewiesen und dieser in die Datenbank aufgenommen. Erst dann kann der Rohstoff in einem neuen Produkt eingesetzt werden.
Was die INCI nicht aussagt
Für Verbraucher*innen ist die INCI meist nicht einfach zu verstehen. Das liegt nicht nur an den komplizierten Fachbegriffen, sondern auch an anderen Punkten. So lassen sich die genauen Mengenangaben der eingesetzten Rohstoffe nicht aus der Angabe der Inhaltsstoffe ablesen: Ob der Bestandteil an der zweiten Stelle der INCI-Deklaration nun mit 10% oder 30% vertreten ist, steht nur in der Rezeptur des Kosmetikprodukts.
Außerdem können sich Wirkstoffe durchaus hinsichtlich ihrer Qualität unterscheiden. Wie hoch beispielsweise die Konzentration der unterschiedlichen Bestandteile in einem Wirkstoff ist, steht nicht in der INCI. Auch der Herstellungsprozess wird in der INCI nicht spezifiziert: Hinter einem in der INCI gelisteten Algenextrakt können Wirkstoffe mit verschiedenen Eigenschaften stecken – je nachdem, welche Art der Extraktion ausgewählt wurde und welche Bestandteile entsprechend darin enthalten sind.
Birgit Gertchen, Senior Sales Manager von ProTec Ingredia, weist noch auf einen anderen Aspekt hin, weshalb es schwierig ist, die Wirksamkeit eines Produkts ausschließlich anhand der INCI zu bewerten: “International gibt es unterschiedliche Regularien für die Angabe der Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten. Deswegen gibt es für manche Wirk- und Rohstoffe regional unterschiedliche Bezeichnungen, wenn ein bestimmter INCI-Name nicht in allen Ländern zugelassen ist. Das ist auch der Grund dafür, dass viele Kosmetikhersteller die Verwendung allgemeinerer INCI-Bezeichnungen wie z.B. ‘Arginine’ und ‘Lysine’ bevorzugen. Diese sind international zugelassen und leiten sich aus den Bestandteilen des jeweiligen Extraktes ab. Manchmal werden allgemein gehaltene INCI wie z.B. ‘Sodium Carrageenan’ auch deswegen ausgewählt, damit Mitbewerber keine Rückschlüsse auf den dafür verwendeten Rohstoff ziehen können.”
Ebenfalls kaum aus der Liste der Inhaltsstoffe ablesbar sind die für die Wirksamkeit eines Kosmetikprodukts entscheidenden technischen Details wie der pH-Wert einer Formulierung oder das eingesetzte ‘Delivery System’, mit dem ein Wirkstoff in die Haut geschleust wird.
Gabrielle Moro, Head of Marketing von Codif Technologie Naturelle, bringt es mit einem anschaulichen Vergleich auf den Punkt: “Die INCI gibt nur einen Namen an. Die Angabe der Inhaltsstoffe auf einem Kosmetikprodukt ähnelt im Grund einer Schülerliste: Man kann so jeden Schüler anhand seines Vor- und Nachnamens genau identifizieren. Aber die INCI sagt nicht, woher der Schüler kommt, wie er an diesen Punkt gekommen ist oder was er gut kann.”
Kann man aus einer INCI herauslesen, wie nachhaltig ein Produkt ist?
Zu einem großen Teil bietet die INCI nicht die Informationen, nach denen Konsument*innen suchen, meint Gabrielle weiter: “In der INCI findet sich weder, woher der Inhaltsstoff bezogen wurde (stammt er aus der Region oder vom anderen Ende der Welt?) noch wie er verarbeitet wurde oder welche Umweltauswirkungen dieser Prozess hatte. Auch ist nicht ersichtlich, ob der Inhaltsstoff natürlicher Herkunft ist, ob er aus kontrolliert biologischem Anbau stammt oder ob er vegan ist. Und auch zur biologischen Abbaubarkeit bzw. Ökotoxizität der Inhaltsstoffe erfährt man durch die INCI nichts.”
Mehr Transparenz durch Kommunikation
Nicht nur ich, sondern viele Endverbraucher*innen von Kosmetik werfen mittlerweile vor dem Kauf eines Produkts einen Blick auf die INCI-Deklaration. Birgit Gertchen bezeichnet die INCI deswegen auch als ein wichtiges Marketinginstrument: “Spezifisch beschriebene Wirkstoffe wie z.B. der Algenwirkstoff mit der INCI ‘Emiliania huxleyi Extract’ oder der als Nebenprodukt aus der Kaffeeherstellung gewonnene ‘Coffea arabica Seed Extract’ sind für den Kunden anschaulich und unterstreichen die ausgelobte Wirkung des Kosmetikprodukts.”
Letztlich kann die INCI jedoch nur eine grobe Orientierungshilfe sein. Für die Beurteilung der Wirksamkeit oder Nachhaltigkeit eines Produkts sind mehr Informationen als die Angabe der Inhaltsstoffe nötig. Hier sind die Kosmetikhersteller gefragt, eine sinnvolle und transparente Kommunikation aufzubauen. Nicht nur auf der Verpackung, sondern vor allem auch auf der Firmen-Website oder in den sozialen Medien gibt es mehr Raum für ausführliche Erläuterungen, was genau in dem Produkt steckt, woher die Rohstoffe kommen, für welche Haut es geeignet ist und wie es wirkt.
In der nächsten Folge meiner Beauty-Fortsetzungsgeschichte geht es auf eine sommerliche Kosmetik-Rundreise. Stay tuned!