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In Kooperation mit ProTec Ingredia // Wie die nachhaltige Zukunft von kosmetischen Wirkstoffen aussieht, darüber macht sich Romuald Vallée viele Gedanken. Der Co-Gründer, Mitinhaber und wissenschaftliche Direktor des Herstellers von marinen Rohstoffen Codif aus der Bretagne hat dafür den Begriff “Bioth-Ecology” eingeführt: ein Zusammenschluss der Worte Biotechnologie und Ökologie. Was das genau bedeutet und wie Biotechnologie und nachhaltige Kosmetik zusammenpassen, das habe ich im Interview mit Romuald erfahren. Spoiler: Keine Angst vor der Biotechnologie!
Wie sieht eine nachhaltige Gewinnung von Rohstoffen aus?
Romuald Vallée: Seit der Gründung von Codif machen wir uns viele Gedanken um Umweltschutz, Biodiversität und Nachhaltigkeit: Die Natur ist unser Vorbild, dieser Leitsatz fasst unsere Firmen-DNA am besten zusammen. Für uns bedeutet das sehr viel mehr als nur oberflächliches Marketing. Wir möchten genau wissen, wie nachhaltig unsere Wirkstoffe sind. Deswegen sind wir dabei, für jeden Wirkstoff eine umfassende Lebenszyklusanalyse zu erstellen. Darin wird bewertet, wie energie- und wasseraufwändig der Herstellungsprozess ist, wie viel Abfall bei der Produktion anfällt und wie es mit der biologischen Abbaubarkeit aussieht – eine Art Ökobilanz für jeden Wirkstoff. Dieser Rundumblick ist wichtig, denn man wird der komplexen Materie kaum gerecht, wenn man z.B. nur den CO2-Ausstoß berechnet.
Nicht jeder pflanzliche Wirkstoff ist per se nachhaltig. Wenn beispielsweise große Mengen eines Wirkstoffs gefragt sind oder die Pflanze sehr viel Zeit zum Wachsen braucht, können eine Wildsammlung oder auch der Anbau auf Feldern bzw. in Gewächshäusern die natürlichen Ressourcen zu stark belasten. Hier bietet die Biotechnologie neue Möglichkeiten, um umweltschonender vorzugehen. Bereits eine kleine Menge an Pflanzenmaterial reicht für die Herstellung einer größeren Menge von Wirkstoffen aus – und das ganz ohne gentechnisch veränderte Organismen. Für diese Art der Biotechnologie verwende ich den Begriff “Bioth-Ecology”.
Was versteht man unter Bioth-Ecology?
Romuald: Bioth-Ecology verbindet die Biotechnologie mit der Ökologie, so wie es das zusammengefügte Wort sagt. Dafür müssen wir die Natur genau studieren und analysieren, um sie bestmöglich nachahmen zu können. Ich spreche hier oft von “copy and paste” der lebendigen Natur. Es handelt sich dabei nicht um eine synthetische Nachbildung der Pflanze. Und wir verändern auch nichts am Pflanzenmaterial, schon gar nicht mit gentechnisch veränderten Organismen.
Es funktioniert so: Wir entnehmen für die Herstellung eines Wirkstoffs einmalig eine pflanzliche Ressource (z.B. eine Alge) aus der Natur und kultivieren sie in einer Biobank. Damit sie sich bei uns wohlfühlt und sich vermehrt, müssen wir viel über sie und ihre natürliche Umgebung wissen. Wir haben beispielsweise festgestellt, dass eine bestimmte Algenart immer dann einen wertvollen Wirkstoff absondert, wenn sie unter Stress gerät. Stress kann im Meer bedeuten, dass ein Sturm tobt. Wenn wir diese Algen bei uns in der Biobank kultivieren, dann ahmen wir ebenfalls einen Sturm nach. Ohne weitere Lösungsmittel kann so der Wirkstoff ExoPolySaccharide (EPS) gewonnen werden. Wir sind stolz darauf, dass unsere Ergebnisse gleichwertig mit den Wirkstoffen aus der Natur sind. Ein Vorteil dieser biotechnologischen Methode ist es, dass wir die volle Kontrolle über die Umgebung haben. Im offenen Meer ist das unter anderem wegen der zunehmenden Verschmutzung oder dem Klimawandel nicht mehr überall der Fall.
Hast Du ein Beispiel für einen ‘bioth-ecologischen’ Wirkstoff aus eurem Sortiment?
Romuald: Vitasmoothy, unsere Neuheit, passt genau in diese Kategorie: Dafür haben wir aus dem Schmetterlingslavendel Lavandula stoechas (siehe Foto ganz oben) eine einzige Probe entnommen und daraus eine Zellkultur erzeugt. Das klingt vielleicht einfach, war es aber nicht: Bei unseren ersten Versuchen wollte einfach keine Zellkultur entstehen. Wir mussten uns erst intensiv mit den Bedürfnissen des Schmetterlingslavendels befassen und die natürliche Umgebung der Pflanze analysieren. Im Mittelmeerraum wächst der Schmetterlingslavendel gern in Meeresnähe und ist salzigen Wind und Boden gewohnt. Deswegen haben wir die Zellkultur in marinem Quellwasser angelegt. Außerdem haben wir einen aromatischen Extrakt des Schmetterlingslavendels dazu gegeben, denn Pflanzen “verständigen” sich durch duftende Moleküle miteinander. Da der stark duftende Schmetterlingslavendel draußen meist in Büscheln wächst, haben wir mit der Zugabe des aromatischen Extrakts in die Zellkultur ebenfalls die Natur imitiert. Und es hat funktioniert: In 1g unseres Wirkstoffs Vitasmoothy sind 200.000 Lavendelzellen enthalten (siehe drittes Foto von oben).
Vitasmoothy ist ein Wirkstoff, der den Feuchtigkeitsgehalt der Haut signifikant verbessert. Grund dafür ist ein osmoregulatorischer Mechanismus, mit dem der Schmetterlingslavendel ausgestattet ist. Er ermöglicht es der Pflanze in trockener Umgebung zu überleben, indem Wasser effizient zwischen den Zellen transportiert wird. Auch in unserer Haut wird der Wasserhaushalt durch Osmolyte reguliert. So unterstützt der Wirkstoff Vitasmoothy diese Funktion der Hautzellen und erhöht die Wasserreserven in der Haut um durchschnittlich 69%.
Werden zukünftig alle pflanzlichen Wirkstoffe biotechnologisch hergestellt?
Romuald: Davon gehe ich erst einmal nicht aus. Bei Codif werden 22% der Wirkstoffe in unserem Sortiment nach dem Prinzip der Bioth-Ecology hergestellt und es werden sicher noch mehr – eben immer dann, wenn es der nachhaltigste Weg ist, einen pflanzlichen Wirkstoff zu gewinnen. Denn das ist ja das Ziel! Im September 2021 sind wir deswegen auch Mitglied der ‘Union for Ethical BioTrade’ (UEBT) geworden. Die Non-Profit-Organisation setzt sich für den Schutz der Biodiversität und für eine gerechte Lieferkette bei der Beschaffung von Inhaltsstoffen ein. Ein Leitfaden unterstützt uns dabei, den vorgegebenen Standard einzuhalten und unser Unternehmen strategisch noch nachhaltiger aufzustellen. Außerdem planen wir, gemeinsam mit der UEBT einen Standard für eine natürliche Biotechnologie zu entwickeln – um den Begriff ‘Bioth-Ecology’ noch klarer von anderen biotechnologischen Verfahren abzugrenzen.
© Fotos: Die Fotos 1, 3 und 4 wurden mir von Codif für diesen Blogpost zur Verfügung gestellt.
In Deutschland sind die marinen Wirkstoffe von Codif beim deutschen Distributor ProTec Ingredia für Firmenkunden erhältlich.
In der nächsten Folge meiner Beauty-Fortsetzungsgeschichte stelle ich eine ungewöhnliche Persönlichkeit vor, von der ich bereits einiges lernen konnte. Stay tuned!