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In Kooperation mit ProTec Ingredia // Ein Anruf in Hamburg. Ich erreiche Dr. Jan-H. Riedel vom BSB-Beratungs- und Servicebüro Dr. Riedel e.K. zwischen Homeschooling und einem beruflichen Projekt. Trotz der zusätzlichen Belastung empfindet er die Pandemie nicht nur als Herausforderung, sondern auch als Motivation. Weshalb er das so sieht, erfahre ich gleich bei unserem Telefonat.
Beautyjagd: Wie kamen Sie dazu, in der Kosmetikbranche zu arbeiten?
Dr. Jan-H. Riedel: Ganz zufällig! Ich habe Chemie studiert und 1992 mit einer Promotion abgeschlossen. Allerdings war es damals – anders als heute – für Chemiker nicht so einfach, einen Job zu finden. Als ich einen Kontakt zu Beiersdorf vermittelt bekam, nahm ich diese Chance sofort wahr und startete dort meine Karriere in der Forschung & Entwicklung. Ich wollte nicht als Wissenschaftler an der Universität bleiben, sondern meine erworbenen Kenntnisse praktisch anwenden. Der sprichwörtliche Elfenbeinturm ist einfach nichts für mich, meiner Meinung nach müssen die Erkenntnisse aus der Forschung auch den Menschen zugänglich gemacht werden. Zuerst war ich bei Beiersdorf in der Produktentwicklung beschäftigt, dann in der angewandten Forschung. Parallel dazu machte ich mich selbständig und habe Ende der 90er Jahre mein Beratungsbüro BSB für technisch-chemisches Consulting mit Schwerpunkt Kosmetik gegründet.
Seit 2003 loben Sie den BSB Innovation Award aus. Wie läuft das ab?
Mit dem BSB Innovation Award werden seit knapp 20 Jahren neue kosmetische Rohstoffe, konventionelle und naturkosmetische Produkte sowie Konzepte hinsichtlich ihrer Innovationskraft ausgezeichnet. Dafür habe ich eine 17-köpfige Jury mit Experten aus der Kosmetikindustrie zusammengestellt, die die Einreichungen beurteilt. Sie sind ja in der Kategorie ‘Angewandte Konzepte’ auch dabei!
Innovativ ist ein Rohstoff oder ein kosmetisches Endprodukt immer dann, wenn eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bisher üblichen Standard aufgewiesen wird. Auch Trends spielen dabei eine große Rolle. Bei Endprodukten werden neben den eingesetzten Rohstoffen die Produktstory und die Anwendung im Test beurteilt. Auch die Verpackungen werden miteinbezogen. Neu habe ich vor zwei Jahren einen Umweltpreis, den BSB Innovation Award Environment, eingeführt.
Überreicht werden die BSB Innovation Awards dann an einem festlichen Abend. In Zeiten der Pandemie ist das leider nicht möglich, deswegen überreiche ich die Awards 2021 virtuell. Am 14. und am 21. April ist es in diesem Jahr soweit.
Weshalb haben Sie den BSB Innovation Award ins Leben gerufen?
Weiter oben habe ich ja schon erwähnt, dass ich der Ansicht bin, dass Forschung kein reiner Selbstzweck sein sollte. Den BSB Innovation Award habe ich initiiert, weil ich damit die weltweite Verbreitung von Wissen und Innovation fördern möchte. Wichtig ist mir dabei der Einbezug der Industrie – hier sitzt das praktisch angewandte Wissen – und arbeite deswegen eng mit ihr zusammen.
Mich macht es entsprechend stolz, wenn preisgekrönte Konzepte erfolgreich werden. Als Beispiel kann ich hier ein Konzept des Instituts für Pharmazeutische Technologie von der Freien Universität Berlin mit Prof. Dr. Rainer H. Müller nennen. Er entwickelte vor über zehn Jahren mit seinem Team in Kooperation mit einer deutschen Kosmetikfirma ein neuartiges Wirkstoffträgersystem. Das mit dieser neuen Technologie hergestellte Produkt wurde dann ein großer Erfolg.
In welchem Bereich lassen sich die Innovationen der Zukunft finden?
Sehr am Herzen liegt mir der BSB Innovation Award Environment, ein neu von mir lancierter Umweltpreis. In diesem Bereich tut sich so viel, denn viele Innovationen haben mit Nachhaltigkeit zu tun. Die gesamte Industrie wird grüner; an den entwickelten Rohstoffen der letzten 20 Jahre lässt sich deutlich ablesen, was sich alles getan hat. In den 90er Jahren war das Thema Nachhaltigkeit eher nachrangig, nun spielt es eine entscheidende Rolle: Rohstoffe, Verpackungen und Produkte sollen in Zukunft nach dem Prinzip „Cradle to Cradle“ kreislauffähig sein. Auch die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN oder Fairtrade sind für den BSB Innovation Award Environment wichtige Kriterien. Der positive Einfluss auf die Umwelt muss für den Umweltpreis natürlich mit Daten und Fakten belegt werden.
Zwei aktuelle Beispiele kann ich aus dem Bereich der Verpackungen nennen: Bei Weleda wurden beispielsweise die Produktverpackungen auf Material aus recyceltem Kunststoff umgestellt. Und L’Oréal ist gerade dabei, an Verpackungen zu arbeiten, die aus verflüssigtem CO2 hergestellt werden. Hier sind viele neue und nachhaltige Entwicklungen zu erwarten!
Und wie geht es Ihnen während der Pandemie?
Das mag sich nun vielleicht überraschend anhören, aber für mich ist Corona auch eine Art Motivation: Die Pandemie führt uns allen vor Augen, wie stark der Mensch bereits in die Natur eingegriffen hat. Nachhaltigkeit ist wichtiger denn je. Vor etwa 100 Jahren breitete sich die Spanische Grippe aus, auch dieser Virus sprang von Tieren auf den Menschen über. Solche Pandemien können in Zukunft deutlich häufiger auftreten, wenn wir keine Rücksicht auf die Natur nehmen. So hat der Schutz des Regenwaldes durchaus etwas mit der Pandemie zu tun: Wenn das Ökosystem aus dem Gleichgewicht kommt, haben Viren viel größere Chancen, überhand zu nehmen. Die Forschung beschäftigt sich gerade damit, wie biologische Faktoren (z.B. Artenvielfalt, Klima etc.) die Ausbreitung von Erregern beeinflussen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Zerstörung von Ökosystemen und der damit einhergehende Verlust der Artenvielfalt neuartige Infektionserkrankungen begünstigen können. Auch deswegen engagiere ich mich mit dem BSB Innovation Award Environment für mehr Nachhaltigkeit in der Kosmetikbranche.
Copyright Fotos: Dr. Jan-H. Riedel
In der nächsten Folge der Beauty-Fortsetzungsgeschichte geht es – virtuell – in die Bretagne, ich besuche ein Webinar über „Blaue Biotechnologie“. Stay tuned!